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Spieler kämpfen gemeinsam für ihre Spiele

Spieler kämpfen gemeinsam für ihre Spiele

Die Gamescom, die weltgrößte Messe für Computerspiele, wurde mit einem Paukenschlag in Köln eröffnet und präsentierte eine Reihe neuer Spiele, die die Fantasie von Millionen Spielern beflügelten. Doch inmitten der Aufregung wirft eine wachsende Sorge einen Schatten auf die digitale Landschaft: die Möglichkeit, dass viele der neu auf den Markt gebrachten Spiele in einigen Jahren unspielbar sein könnten. Diese Bedrohung ist nicht auf technologische Veralterung zurückzuführen, sondern auf das bewusste Handeln der Spielehersteller, die aus verschiedenen Gründen die Server abschalten, die diese Spiele unterstützen. Als Reaktion darauf haben Spieler die EU-weite Petition „Stop Killing Games“ gestartet, um sich gegen diesen alarmierenden Trend zu wehren. Die Petition, die sich für den Schutz eines von vielen als Kulturgut angesehenen Mediums einsetzt, hat bereits zahlreiche Unterstützer gefunden, steht aber noch vor großen Herausforderungen.

Das Online-Only-Dilemma: ein zweischneidiges Schwert

Moderne Spiele haben sich in den letzten zehn Jahren dramatisch entwickelt, insbesondere mit dem Aufkommen von „Live-Service-Spielen“, die eine aktive Internetverbindung erfordern. Diese Spiele, die hauptsächlich von großen Entwicklern angeboten werden, funktionieren oft nicht ohne eine ständige Verbindung zu den Servern des Herstellers. Die Gründe für dieses Modell sind vielfältig. Zum einen ermöglicht es die kontinuierliche Einführung neuer Inhalte, wodurch das Spiel dynamisch und spannend bleibt. Die Spieler können in eine „lebendige“ virtuelle Welt eintauchen, in der sie immer mit anderen verbunden sind, was das Gesamterlebnis steigert.

Dieses Modell ist für Spielestudios und Publisher äußerst lukrativ. Neben dem Erstkauf, der bei Blockbuster-Titeln bis zu 70 Euro betragen kann, können die Unternehmen durch den Verkauf von Zusatzinhalten laufende Einnahmen erzielen. Darüber hinaus trägt die Notwendigkeit einer Serververbindung zur Bekämpfung der Piraterie bei, da die Spiele ohne Zugang zu den Original-Servern schlichtweg nicht funktionieren. Auf den ersten Blick scheint dies ein Win-Win-Szenario für Entwickler und Spieler zu sein.

Das reine Online-Modell hat aber auch Nachteile, vor allem für diejenigen, die lieber alleine spielen. Spieler, die viel Zeit und Geld in diese Spiele investieren, laufen Gefahr, den Zugang komplett zu verlieren, wenn die Server abgeschaltet werden. In diesem Fall geht nicht nur das Spiel verloren, sondern auch der Fortschritt des Spielers, seine Erinnerungen und die Community, die sich um den Titel gebildet hat.

Die Praxis des „Abschaltens“: Profitgier oder Zweckmäßigkeit?

Die Praxis des Abschaltens von Servern für „Live-Service-Spiele“ hat in der Spielergemeinschaft eine heftige Kontroverse ausgelöst. Viele Spieler sehen darin einen eklatanten Fall von Geschäftemacherei. Sie argumentieren, dass sie, nachdem sie eine beträchtliche Summe für ein Spiel bezahlt haben, auch das Recht haben sollten, es auf unbestimmte Zeit zu spielen. Die Vorstellung, dass ein Spiel nach Belieben des Herstellers unspielbar gemacht werden kann, wird von vielen als Verrat empfunden.

Ein prominentes Beispiel ist das Rennspiel „The Crew“ von Ubisoft. Das 2014 veröffentlichte Spiel war sehr beliebt und hatte eine treue Spielerschaft. Doch am 1. April 2023 schaltete Ubisoft die Server für „The Crew“ ab und gab als offiziellen Grund „Lizenzbeschränkungen“ an. Damit wurde das Spiel unspielbar, obwohl es bereits zwei Fortsetzungen gab. Dieses Vorgehen von Ubisoft löste einen Aufschrei in der Gaming-Community aus und führte zu einer Welle der Unterstützung für die Petition „Stop Killing Games“.

Die Petition, die bereits fast 300.000 Unterschriften gesammelt hat, wurde von dem amerikanischen YouTuber Ross Scott initiiert. Gemeinsam mit zwei europäischen Mitstreitern will Scott bis Mitte 2025 eine Million Unterschriften sammeln. Ziel ist es, die EU-Kommission zu zwingen, sich mit dem Thema zu befassen und Regeln einzuführen, die verhindern, dass Hersteller Spiele absichtlich unspielbar machen, sobald sie nicht mehr kommerziell verwertbar sind.

Ein Aufruf zur digitalen Bewahrung: Die Hauptziele der Petition

Bei der Petition „Stop Killing Games“ geht es nicht darum, eine dauerhafte Unterstützung für jedes jemals veröffentlichte Spiel zu fordern. Vielmehr soll sichergestellt werden, dass Spiele, insbesondere solche, die für Einzelspieler konzipiert wurden, auch nach dem Ende ihres kommerziellen Lebenszyklus zugänglich bleiben. Bei Multiplayer-Spielen plädiert die Petition dafür, den Fans die Möglichkeit zu geben, eigene Server zu entwickeln und zu betreiben, damit diese Spiele auch nach Einstellung des offiziellen Supports weiter existieren können.

Diese Idee ist nicht ganz neu. In der Vergangenheit haben Fans bestimmter Online-Spiele wie „Star Wars Galaxies“ und „Warhammer Online“ ihre eigenen privaten Server eingerichtet, nachdem die offiziellen Server abgeschaltet worden waren. Obwohl diese privaten Server oft in einer rechtlichen Grauzone operieren, wurden sie in einigen Fällen von den ursprünglichen Herstellern geduldet. Diese Duldung ist jedoch nicht garantiert, wie das Vorgehen des japanischen Entwicklers Atlus zeigt, der gegen die Betreiber eines privaten Servers für das Online-Spiel „Shin Megami Tensei: Imagine“ nach dessen Abschaltung im Jahr 2016 gerichtlich vorging.

Widerstand der Industrie: Schutz eines profitablen Geschäftsmodells

Die Petition wird von verschiedenen Seiten unterstützt, unter anderem von der Piratenpartei, die sich seit langem für digitale Rechte und Freiheiten einsetzt. Patrick Breyer, ehemaliger Europaabgeordneter der Piratenpartei, äußerte sich besorgt über die weitreichenden Folgen des Abschaltens von Spielen. Breyer argumentiert, dass diese Praxis die Spieler nicht nur ihrer Lieblingsspiele beraubt, sondern auch die Erinnerungen und sozialen Netzwerke zerstört, die sich um diese Titel gebildet haben. Die Piratenpartei sieht darin einen Missbrauch von Rechten, der unterbunden werden müsse.

Die Spieleindustrie wird sich jedoch voraussichtlich gegen jede Regelung wehren, die ihre Möglichkeiten zum Abschalten von Servern einschränkt. Für viele Publisher ist die Möglichkeit, alte Spiele vom Markt zu nehmen, ein wesentlicher Bestandteil ihres Geschäftsmodells, das oft stark von der Veröffentlichung von Fortsetzungen abhängt. Die Branche befürchtet, dass ihre Gewinne erheblich geschmälert würden, wenn sie gezwungen wären, den Support für alte Spiele auf unbestimmte Zeit aufrechtzuerhalten.

Darüber hinaus ist das Problem nicht auf Videospiele beschränkt. Ähnliche Praktiken gibt es auch bei anderer Software und digitalen Geräten, bei denen Hersteller den Support für ältere Modelle einstellen, um die Verbraucher zum Kauf neuerer, profitablerer Produkte zu drängen. Die Piraten argumentieren, dass es sich hierbei um ein umfassenderes Problem der Verbraucherrechte handelt, das auf EU-Ebene angegangen werden muss.

Die Herausforderung, die Geschichte der Spiele zu bewahren

Eines der dringendsten Probleme besteht darin, sicherzustellen, dass Spiele lange nach dem Ende ihrer kommerziellen Lebensdauer spielbar bleiben. Diese Herausforderung wird durch die Tatsache verschärft, dass viele alte Konsolen und die Spiele, die auf ihnen liefen, selten geworden und schwer zu finden sind. Emulatoren, mit denen alte Spiele auf modernen Computern gespielt werden können, bieten eine mögliche Lösung, aber die Entwicklung solcher Emulatoren ist ein komplexer und zeitaufwändiger Prozess.

Außerdem sind heutige Spiele oft schwieriger zu konservieren als ihre Vorgänger. Viele basieren auf einer serverbasierten Infrastruktur, und die vorhandenen Sicherheitsmaßnahmen, wie z. B. ein fortschrittlicher Kopierschutz, können es nahezu unmöglich machen, diese Spiele nach dem Abschalten der Server weiterlaufen zu lassen. Dies führt zu der beunruhigenden Möglichkeit, dass in Zukunft jeder, der Spiele aus den frühen 2020er Jahren studieren oder erleben möchte, dies tun muss, ohne sie tatsächlich spielen zu können.

In einem Artikel der Fachzeitschrift GamesIndustry heißt es: „Das Ergebnis ist, dass in Zukunft jeder, der verstehen will, wie Spiele um das Jahr 2022 waren, dies herausfinden muss, ohne das Spiel tatsächlich spielen zu können“. Dieses Szenario ist für viele in der Spielebranche inakzeptabel, da sie Spiele als einen wichtigen Teil unseres kulturellen Erbes betrachten, den es zu bewahren gilt.

Der Kampf geht ins Europaparlament

Die Kampagne „Stop Killing Games“ hat die politische Sphäre erreicht und die Piratenpartei hat im EU-Parlament die Führung übernommen. Der Europaabgeordnete Dr. Patrick Breyer hat die Europäische Kommission formell um eine Stellungnahme zur Entscheidung von Ubisoft gebeten, „The Crew“ ab April 2024 unspielbar zu machen. Breyer ist der Ansicht, dass dieser Schritt möglicherweise gegen europäisches Recht verstößt, insbesondere im Hinblick auf den Verbraucherschutz.

„Wir Piraten fordern eine generelle gesetzliche Regelung, dass verwaiste Software nicht einfach verschwinden darf. Die Community sollte die Möglichkeit haben, sie zu übernehmen und weiterzuentwickeln. Software ist mehr als ein Produkt im Regal. Gerade Computerspiele sind integraler Bestandteil unserer digitalen Kultur“, so Breyer. Ähnlich wie verwaiste Werke in der Literatur, die auch nach dem Tod des Autors zugänglich bleiben, sollte seiner Meinung nach auch Software erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Breyer und die Piratenpartei setzen sich für einen rechtlichen Rahmen ein, der die Bewahrung und weitere Nutzung verwaister Software, einschließlich Videospielen, ermöglicht. Ein solcher Rahmen würde die Nachhaltigkeit fördern, indem er die Beibehaltung von Steuerprogrammen für Hardware ermöglicht und so die Lebensdauer digitaler Geräte verlängert.

Die Zukunft von Spielen und digitalen Rechten

Die Petition „Stop Killing Games“ beleuchtet ein kritisches Problem an der Schnittstelle zwischen digitalen Rechten, Verbraucherschutz und Kulturerhaltung. Da Spiele zunehmend von Online-Infrastrukturen abhängen, war der Bedarf an rechtlichen Schutzmaßnahmen zur Sicherung ihrer Langlebigkeit noch nie so groß wie heute. Der Erfolg der Kampagne könnte einen Präzedenzfall für den Umgang mit digitalen Produkten in der Zukunft schaffen und möglicherweise zu umfassenderen Veränderungen bei der Bewahrung unseres digitalen Erbes führen.

Für Spieler und Verfechter digitaler Rechte ist die Petition ein entscheidender Schritt im Kampf um den Schutz der Spiele, die sie lieben. Mit fast 300.000 gesammelten Unterschriften nimmt die Dynamik zu, aber es bleibt noch viel zu tun. Wenn Sie sich für den Erhalt der Spielegeschichte einsetzen und dafür sorgen wollen, dass Spiele auch für zukünftige Generationen spielbar bleiben, dann unterzeichnen Sie die Petition unter https://eci.ec.europa.eu/045/public/#/screen/home. Beim Kampf gegen die Vernichtung von Spielen geht es nicht nur um die Bewahrung von Unterhaltung, sondern auch darum, einen wichtigen Teil unserer digitalen Kultur für die kommenden Jahre zu erhalten.

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